Mittwoch, 1. Juli 2009

Resümee

Die Prüfung wurde, wie ich so den Eindruck gewonnen habe, überwiegend äußerst positiv absolviert :) Viele haben am Tag der Prüfung sowie am Vortag nochmals in den Blog geschaut (120 Aufrufe am Montag, 104 Aufrufe, überwiegend vor 11 Uhr vormittags, am Dienstag :)) Danke auch für diverse Löbe (Plural von Lob?), die ich bekommen habe. Es war gar nicht so leicht, zu jedem Gast einen halbwegs guten Bericht zu schreiben, zumal einem die Lücken, Dinge, die einem für einen flüssigen Text fehlen, oft erst im Nachhinein bemerkt (und während der Gespräche kann ich auch nicht alle drei Minuten eine Zwischenfrage stellen, dass würde ich mir nicht anmaßen). So kommen also immer wieder Absätze, Sätze, Formulierungen vor, wo man sich sagen kann: Ja, schön und gut, aber wie heißt nun eigentlich die Frau von Herrn X, jetzt, wo wir gerade erfahren haben, wie seine Eltern, seine Kinder, seine Onkels und Tanten und seine Haustiere heißen. Das Problem in so einem Fall ist dann nicht, dass ich es vergessen habe (höchstens insofern, dass ich während der LV nicht nachgefragt hab), sondern, dass ich es einfach nicht weiß oder, kann auch passieren, überhört hab.

In diesem Sinne verstehe ich sehr gut, was Oscar Bronner meint, wenn er sagt, er selber kann oder will nicht (mehr) wirklich journalistisch schreiben. Also können tut er es zweifellos, wie man vor allem an den frühen Jahren seiner Karriere bemerkt, aber seit er es sich leisten kann, Journalisten zu beschäftigen, verzichtet er offenkundig gerne darauf. Und zwar aus dem Grund, dass er, wenn er an einer Story recherchiert, unmöglich mit dem recherchieren aufhören kann, so lang etwas essenzielles unklar, unbestätigt oder unvollständig ist (das hat er entweder hier gesagt, oder ich habs in einem Interview bzw. Biografie-Ausschnitt gelesen). So kann man bei einer Tageszeitung natürlich unmöglich arbeiten, bei jenem Zeitdruck, der heute wohl noch mehr als früher vorherrscht. In diesem Sinne muss man, will man dennoch tagesaktuell arbeiten, Unvollständigkeiten in Kauf nehmen, und, auch wenn man es sicher nicht gern zugibt, Ungenauigkeiten, Schlampereien riskieren. Nicht dass das hier meine Ideologie gewesen wäre: Ich habe an jedem dieser Postings etwa zwei Stunden, an vielen sogar drei, vier oder - weil auf mehrere Tage aufgeteilt - noch mehr Stunden gearbeitet. Tendenziell immer so lange, bis ich keine Lücken mehr durch Internetrecherchen stopfen konnte. Lücken, die leider so aus den Gesprächen übernommen werden mussten. Auch das zitieren war nicht immer einfach: Da ich nicht stenografieren kann, war es schwer, mehr als eine Hand voll Aussagen im O-Ton wieder zu geben. Wenn ich mir bei einem Zitat unsicher war, habe ich es in der Regel als indirektes Zitat oder sinngemäß wiedergegeben.

Was das Resümee betrifft: Ich habe mir ursprünglich gedacht, am Ende einen Überblicksbeitrag zu erstellen, in denen sämtliche Schwerpunkte der LV, Kontinuitäten bei den Gesprächsgästen, nach Themen sortiert zusammenzufassen. Also was hat A über Kreisky gesagt, was B, was C usw. Allerdings wäre das etwas viel Aufwand, zumal die Prüfung ohnehin bereits geschlagen ist und auch sonst nicht wirklich eine Notwendigkeit, geschweige denn ein Publikum, dafür besteht. Immerhin: Obwohl die LV mittlerweile vorbei ist, krieg ich täglich noch 5 bis 10 Aufrufe, hauptsächlich aufgrund von Suchmaschinen-Treffern.

Nur eines möchte ich abschließend noch festhalten: Ich hoffe sehr, dass es eine Fortsetzung dieser Gesprächsreihe gibt, schon alleine aufgrund jener großen Gäste, die leider, aus welchen Gründen auch immer, entgegen der Ankündigung nicht kommen konnten: Ruth Beckermann, Paul Lendvai, Ioan Holender.

Doch es gäbe noch viele andere Persönlichkeiten, die als interessante Gesprächsgäste infrage kommen können. Etwa Karl Pfeifer, jene beeindruckende Kämpfernatur, die derzeit im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands tätig ist, und der in seinen Prozessen gegen rechte Diffamierungen von Gabriel Lansky vertreten wurde.

Oder Eric Pleskow, der 1938, 14-jährig, Österreich verlassen musste und als Soldat der Army bei der Befreiung Österreichs und der darauffolgenden Entnazifizierung mitwirkte. Er führte, so die Wikipedia, auch Verhöre mit Ex-Nationalsozialisten. War er es, von dem Friedrich Peter so beeindruckt war, dass sämtlicher Antisemitismus aus ihm verflogen sei? (Friedrich Peter, FPÖ-Vizekanzler unter Kreisky, sagte Landesmann einmal, er sei bei einem Verhör nach Kriegsende von einem jüdischen US-Offizier geohrfeigt worden, was ihn dermaßen beeindruckt habe, dass er vom Antisemitismus befreit worden sei) Plescow wurde schließlich Filmoffizier, fasste Fuß in der US-Filmindustrie, produzierte unter anderem Woody Allens großartigen Stadtneurotiker und kehrte erst im Alter erneut nach Österreich zurück, wo er seit 1998 die Viennale leitet.

Die absolute Sensation wäre aber wohl, könnte Peter Kreisky, der Sohn Bruno Kreiskys, über den wir dieses Semester beinahe wöchentlich ausführliche Erzählungen zugetragen bekommen haben, persönlich diese Vorlesung beehren und von seinem Vater erzählen. Fragt sich nur, ob er dazu bereit wäre.

Etwas schwieriger wäre es wohl, den ORF-Korrespondenten in Tel Aviv, Ben Segenreich, an die Wiener Uni zu bekommen. Er wäre neben Danielle Spera einer der wenigen, der nach 1945 geboren worde – er besuchte wie Spera das Französische Lyzeum in Wien, damals, so Muzicant, eine beliebte Alternative zu den geschlossenen jüdischen Schulen – und, im Gegensatz zu Spera, 1983 nach Israel auswanderte. Anders als Ronald Barazon, der, wie viele österreichische Juden, im Exil in Tel Aviv geboren wurde, nach Kriegsende aber das österreichische Klima (nicht unbedingt im politischen Sinn) jenem Israels vorgezogen haben dürfte. Laut Torberg soll ja Marcel Prawy, der, würde er noch leben, ebenfalls einen guten Gesprächspartner abgeben würde, einmal, angesprochen auf den Sechs-Tage-Krieg (oder war es ein anderer Krieg?) und seine Verpflichtung, als Jude für Israel zu kämpfen, gesagt haben: "Ich bin Wiener, was mach ich in der Wüste?" (so ähnlich jedenfalls) Auch Barazon absolvierte übrigens das Lycée Francaise.

Aus dem Kunstbereich wäre Andre Heller sicherlich ein interessanter Gesprächspartner. Er hat wie Otto Schenk väterlicherseits jüdische Wurzeln und wurde 1947 in Wien geboren. Mir als Filmfreund und Torberg-Verehrer ein besonderes Anliegen wäre aber auch Wolfgang Glück, der dieses Jahr seinen 80. Geburtstag feiert. Von ihm stammen etwa die Torberg-Verfilmungen Der Schüler Gerber und 38 – Auch das war Wien. Was ich bisher nicht wusste, aber in einem Standard-Interview angesprochen wurde: Auch Glück stammt aus einer jüdischen Familie. Wie er zwischen 1929 und 1947, jenem Jahr, in dem in sämtlichen Internet-Quellen seine Biografie begint, unter diesen Umständen gelebt hat, ist im Internet nicht dokumentiert. Eine Biografie existiert meines Wissens nach auch (noch) nicht.

Bleiben wir bei der Kunst. Was viele bis zu jenem ORF-Bericht vielleicht nicht wussten (es spielt ja an und für sich auch keine Rolle), der Pop-Musiker Billy Joel hat jüdische Eltern. Was vermutlich noch weniger wussten: Sie stammten aus Deutschland. Und was jetzt aber wirklich niemand gedacht hätte: Billy Joels Vater, Helmut (Howard) Joel, lebt in Wien. Sein zeiter Sohn aus zweiter Ehe, Alexander Joel, ist Pianist und Dirgent und lebt, so Wikipedia, ebenfalls in Wien. Was die wohl zur jüdischen Identität in Österreich sagen würden?

Und was ist eigentlich mit Georg Kreisler? Gibt der noch Konzerte? Unglaublich – mit gefühlten 100 Jahren (er ist jetzt 87, gut, Zadek ist älter!) noch Konzerte geben: das letzte von dem ich weiß war 2004, aber vielleicht gab es danach noch welche?

Man könnte nun sicher noch einige weitere mehr oder weniger bekannte jüdische Persönlichkeiten aufzählen, die in Österreich leben, aber jene, die mir am bekanntesten sind (und noch nicht da waren), habe ich nun erwähnt. Wobei es vermutlich noch andere Persönlichkeiten gibt, von denen öffentlich nicht oder kaum bekannt ist, dass sie Juden sind. Wolfgang Glück wäre vermutlich so jemand – jedenfalls ist mir keine Biografie bekannt, in der diesbezüglich etwas erwähnt wird. Es gibt sicher auch einige mehr oder weniger in der Öffentlichkeit stehende Personen, die öffentlich nicht unbedingt über ihre jüdische Identität plaudern wollen, sei es, weil sie ihre Religion als Privatsache nicht in die Öffentlichkeit tragen wollen, oder weil sie vielleicht, wie etwa Charles Lewinsky (Buch: "Ein ganz gewöhnlicher Jude") meint, nicht als "Ausstellungsobjekt" irgendwas über Judentum erzählen wollen.

Wie auch immer: Ich fand diese Lehrveranstaltung sehr aufschlussreich, ich habe sehr viel neues erfahren – vor allem über Bruno Kreisky ;-) Ich hoffe, es gibt eine Fortsetzung. Bis dahin, au revoir.

2 Kommentare:

  1. Lieber Nick!

    Ich habe deinen Blog mit großen Interesse gelesen! Leider konnte ich bei den - wie es scheint - sehr interessanten Gesprächen nicht anwesend sein, aber deine ausführlichen Zusammenfassungen konnten diess traurige Versäumnis zumindest etwas mildern!
    Eine schöne Arbeit!


    Falls du noch an weiteren Artikeln arbeitest, möchte ich Dich einladen Dich bei mir zu melden, da wir gerade dabei sind ein feuilletonistischen Projekt namens "Heft" das im Reclam Format erscheinen wird zu starten.
    Ich würde mich freuen!

    Liebe Grüße,

    Tassilo Dückelmann (taste@gmx.at)

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