Dienstag, 12. Mai 2009

7. VO – 5. Mai 2009 – Paul Chaim Eisenberg

Paul Chaim Eisenberg ist seit 1983 Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in Wien. Ursprünglich wollte Eisenberg Mathematiker werden, was er auch studierte, doch schließlich ging der Traum eines jeden Rabbiners in Erfüllung – ein Traum, den Bischöfe nicht haben können: Der Sohn wird Nachfolger. 35 Jahre lang, von 1948 bis zu seinem Tod 1983, war Paul Eisenbergs Vater, Akiba Eisenberg, Oberrabiner von Wien.

Wie bereits im Vergleich mit dem Bischof, den Eisenberg so gebracht hat (sinngemäß jedenfalls), angeklungen ist, witzelt er gerne. Stellt ihm jemand eine Frage, so holt er häufig erst einmal aus und erzählt eine Anekdote, die ihren Ursprung entweder in einem der heiligen Bücher, sonstigen Erzählungen oder Überlieferungen oder in persönlichen Erfahrungen oder Beobachtungen liegen. Manchmal tut es auch ein Witz, um den Fragesteller und die Zuhörer auf die Weisheit der folgenden Antwort vorzubereiten. Auch bei einem Interview in der Zeit im vergangenen Februar kam er nicht umhin, eine Frage erst mal mit einem Witz zu beantworten. Das ist einfach seine Art, was seine Anhänger auch sehr schätzen. Der Oberrabbiner, so Eisenberg, muss ja auch nicht der frömmste aller Juden einer Gemeinde sein, er muss nur mit allen mehr oder weniger gut auskommen. Humor ist da sicherlich eine hilfreiche Eigenschaft.



Aber die jüdische Gemeinde Wiens besteht ja nicht nur aus einem Oberrabbiner. Die IKG, die auf das Israelitengesetz von 1890 zurückgeht, ist ja im Grunde nur ein Konstrukt, um die verschiedenen jüdischen Glaubensrichtungen unter einem Dach zu halten – "damit der Kaiser seine Ruhe hat", vermutet Eisenberg – denn sonst wäre womöglich jeden Tag ein anderer Rabbi zu ihm gekommen, um über seine Sorgen zu klagen. Aber so gibt es ein Oberhaupt, das für alle sprechen kann – und interne Streitereien und Uneinigkeiten müssen auch intern geregelt werden.

Die jüdische Gemeinde Wiens, die offiziell nur rund 9.000 Personen umfasst (aber wie IKG-Präsident Muzicant unlängst verraten hat, sind es wohl eher 20.000) zählt daher etwa 10 Rabbiner und 16, 17 Synagogen – wobei Synagoge hier nicht zu bildhaft als großer, eigenständiger Sakralbau verstanden werden darf, sondern, mit Ausnahme des Stadttempels, Bethäuser oder Beträume meint (vgl. auch untenstehende Angaben laut Muzicant: 6 Rabbiner und 14, 15 Bethäuser). Eine Besonderheit Wiens sei, wie auch Muzicant bereits betont hatte, dass alle Strömungen des orthodoxen oder reformierten Judentums unter einem Dach organisiert sind und relativ gut miteinander auskommen. Einzige Ausnahme hierbei ist Or Hadash, eine dem Reformjudentum zuzuordnende, lediglich ein paar Hundert Mitglieder umfassende Gruppe, die sich der Aufgabe verschrieben hat, vom Glauben entfernte Juden wieder näher zur Religion zu bringen. Die Formen der Religionsausübung dürften hierbei wohl noch weiter von Vorstellungen der Orthodoxen entfernt sein, als bei anderen reformierten Gruppen. Jedenfalls haben fast alle anderen Gruppierungen innerhalb der IKG mit Austritt gedroht, sollte Or Hadash aufgenommen werden. Doch unter Eisenberg konnten sich alle auf einen Kompromiss einigen, sodass Or Hadash offiziell nicht der IKG angehört, doch ihre Mitglieder sehr wohl auch IKG-Mitglieder sind bzw. sein können, und die Gruppe auch im Mitteilungsorgan der Israelitischen Kultusgemeinde, der Gemeinde, wie alle anderen Gruppen ihren Platz für Ankündigungen und Mitteilungen hat, und sie benutzen einen Betraum, der ihnen von der IKG zur Verfügung gestellt wurde. Eine Spaltung der Gemeinde, wie dies in Budapest geschehen sei, konnte dadurch verhindert werden. Grundlage des Kompromisses, so Eisenberg: Jeder Jude ist Mitglied der Gemeinde – innerhalb welcher Gruppierungen, ist zweitrangig.

Es ging also vor allem um die jüdische Gemeinde Wiens und Ausprägungen des Judentums. Themen wie Bruno Kreisky oder Kurt Waldheim wurden nicht angesprochen. Wir erfuhren jedoch nocht etwas darüber, wie Vater Akiba den Nationalsozialismus überlebte. Er konnte sich, wie viele andere Juden, darunter auch Landesmann, in Budapest verstecken. Laut Eisenberg habe es in Budapest, dass ja erst sehr spät von den Nazis eingenommen wurde, viele Häuser gegeben, in denen man als Jude relativ sicher war – solange man diese Häuser nicht verlassen hat. Auf diese Weise hätten 60.000 bis 80.000 Juden überlebt – wurden aber in großer Zahl anschließend von den Sowjets nach Sibirien verschleppt. Auch Akiba Eisenberg wurde von den Russen gefasst und in eine Gruppe gesteckt, die vermutlich für den Transport nach Sibirien bestimmt war. Der Offizier war möglicherweise ebenfalls Jude – jedenfalls habe er Akiba aus der Gruppe entfernt, als dieser ihm sagte, er sei Rabbiner. Das war vermutlich seine Rettung.

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