Freitag, 1. Mai 2009

6. VO – 21. April 2009 – Oscar Bronner

Nach drei Wochen Osterpause kam Oscar Bronner als sechster Gast zu Peter Landesmann. Die allererste Frage lautete dann gleich, wie sein Name nun korrekt geschrieben werde – mit "k" oder mit "c". Mit 'c', da seine Geburt 1943 in Haifa noch in die Zeit des Völkerbundsmandates für Palästina fiel, das unter britischer Kontrolle stand. Weiters las Landesmann eine kurze Biografie Bronners aus der Wikipedia vor. Doch hier sollen prinzipiell nur jene Sachen erwähnt werden, die nicht bereits in der Wikipedia oder an anderen leicht zu findenden Stellen im Internet zu finden sind. Also kommen wir zu Bronners Jugend.

Kindheit und Familie

Bronners Eltern, der spätere Kabarettist Gerhard Bronner und seine spätere Frau, kannten einander bereits aus ihrer Jugend in Wien, die 1938 jedoch unterbrochen wurde. Als Gerhards Eltern von den Nazis verhaftet wurden, flüchtete er alleine zu Verwandten in die Slowakei. Dort verdiente er sich mit Gitarre spielen etwas Taschengeld, bevor er weiter nach Haifa floh. Dort traf er dann jenes Mädchen aus Wien wieder, das er bald heiratete (die beiden waren damals etwa 17, 18 Jahre alt) und deren erster Sohn, wenige Jahre später, Oscar war.

Bronner wuchs zuerst zweisprachig auf, da zuhause deutsch gesprochen wurde, im Kindergarten jedoch hebräisch (Ivrit). Als die Jungfamilie 1948 nach Wien zurückkehrte – vor allem Oscars Mutter wollte dies, um ihre Eltern, die in Shanghai überlebten, wiederzusehen – musste Oscar seine Deutschkenntnisse nachbessern. Also gaben ihm seine Eltern sozusagen privaten Förderunterricht, der so erfolgreich war, dass er danach kaum ein Wort hebräisch mehr konnte.

Als sein Vater einen Job beim deutschen Fernsehen in Hamburg bekam (das war so Ende 1952), übersiedelte die Familie dorthin. Oscar besuchte dort zwei Jahre die Schule, bis sich seine Eltern trennten. Er ging daraufhin fünf Jahre in Bonn, wo seine Mutter nun lebte, in die Schule. Dort war er ein guter Schüler, doch zurück in Österreich hatte er große schulische Schwierigkeiten. Er brach mit 17 die Schule ab, ging arbeiten, besuchte nebenbei auch Uni-Vorlesungen und holte die Matura als Externist nach.

Alles weitere zu seiner Biografie und Karriere, also seine Bekanntschaften mit Qualtinger und Torberg, seine Volontariate bei diversen Zeitungen usw. steht alles anderswo, auch auf einigen Webseiten, gut beschrieben (siehe auch Link am Ende dieses Postings) und wurde hier auch nur stichwortartig erwähnt.

Jüdische Identität

Antisemitische Erfahrungen hat Oscar in Wien nie gemacht. Vater Gerhard war areligiös eingestellt, seine Mutter bestand ebenfalls nicht auf eine religiöse Erziehung. Die Familie, in der er "hineingeboren wurde, war vollkommen areligiös." (Bronner) Also wusste Oscar in der Schule vermutlich genau so wenig wie die meisten seiner Schulkollegen, warum in seinem Zeugnis "mosaisch" stand und was das bedeuten solle. Dass er jüdisch ist, wurde Bronner erst schrittweise bewusst. Ein diesbezügliches Schlüsselerlebnis gab es nicht. Über Judentum, Politik, Palästina oder Israel wurde zuhause nie geredet, obwohl sich Vater Gerhard als Kabarettist zumindest mit der Politik intensiv beschäftigte. Was immer an mir jüdisch ist, mit Religion hat das nichts zu tun. (Bronner) Bronner fand erst später in seinem Leben zu "seinem Judentum" – wohl auch aufgrund seiner Heirat 1988 und den aus dieser Ehe hervorgegangenen zwei Kindern. Dadurch spielen jüdische Feiertage eine gewisse Rolle, aber "sonst nichts".

Zu Israel hat Bronner seit der Rückkehr mit seinen Eltern aus Haifa keine Beziehung mehr. Zur Politik könne er nur sagen, dass Israel "sehr vieles richtig" gemacht habe, und "sehr vieles falsch". Aber "auch die andere Seite hat vieles falsch gemacht".

Zu Kreisky

So, und nun wieder zu den Standards: Beginnen wir mit Kreisky (im Sinner der Chronologie der Befragung). Wie bereits einige der vorherigen Gäste hat auch Bronner persönlich mit Kreisky Bekanntschaft gemacht. Und auch bei ihm ist diese Bekanntschaft der Verwandschaft zu verdanken (wir erinnern uns: Georg Markus kannte Kreisky, weil seine Oma die Nachbarin von Kreiskys Mutter in Brünn war und mit der Familie befreundet war). Bei Bronner ist die Bekanntschaft weniger nachbarschaftlich, denn politisch begründet. Bronners Onkel, ein Oskar, den man vermutlich mit "k" geschrieben hat (da wie dessen Bruder Gerhard wohl in Wien und nicht in einem englisch verwalteten Gebiet geboren), war Sozialdemokrat und mit Bruno Kreisky befreundet.

Die Kreisky-Wiesenthal-Affäre hat Vater Gerhard, ebenfalls Sozialdemokrat, sehr geärgert. Oscar (mit "c") hatte zu dieser Zeit bereits den Profil gegründet, der die Ereignisse verfolgte und kritisierte. In der Vorlesung meinte Bronner: "da hat Kreisky sehr ungut agiert, sagen wir's mal so. [...] wobei Kreisky halt ein sehr komplexes Thema ist", da er ja auch areligiös, insbesondere als Sozialist bzw. Sozialdemokrat, eingestellt war. Die Ideologie dahinter sei eben, so Bronner (sinngemäß), dass die Basis für eine Antisemitismusfreie Welt die soziale Gerechtigkeit ist – Sozialismus statt Religion.

Warum Kreisky die Zusammenarbeit mit Friedrich Peter, dem FPÖ-Chef und ehemaligen Waffen-SS-Mitglied suchte, versucht Bronner mit folgenden Aussagen nachzuvollziehen: Kreisky war während des Austrofaschismus als Sozialist gemeinsam mit illegalen Nazis in Wöllersdorf interniert. Sozialisten und Nazis hatten damals einen gemeinsamen Feind: Die Christlichsozialen. Einer seiner damaligen Haftkollegen half Kreisky nach dem Anschluss 1938 als Nazi bei der Flucht aus Österreich. "Kreisky war halt ein Produkt dieser seltsamen Gemengenlage" (Bronner).

Zu Friedrich Peter wusste Landesmann zudem, dass dieser eher dem liberalen Flügel der Freiheitlichen, der auf die Revolution von 1848 zurückgeht, angehörte, und nicht dem deutschnationalen. Peter habe Landesmann außerdem erzählt, dass er "vom Antisemitismus geheilt" wurde, als er als US-Kriegsgefangener von einem jüdischen Offizier verhört und geohrfeigt wurde. Das habe ihm so imponiert und ihm ein Bild von einem "starken Juden" vermittelt, dass er so noch nie gesehen haben will. So habe er es zumindest Landesmann erzählt.

Zur FPÖ und Haider

Bezüglich den liberalen Wurzeln der FPÖ meinte Landesmann weiters, dass Norbert Steger versucht habe, die FPÖ zur liberalen Partei zu machen – vergleichbar der FDP in Deutschland – damit aber scheiterte und von Haider und dem deutschnationalen Flügel sozusagen "geputscht" wurde. Österreich habe einfach eine zu geringe liberale Tradition, weshalb auch Heide Schmidt, die ja aufgrund des "Putsches" des deutschnationalen Flügels aus der FPÖ austrat und das "Liberale Forum" gründete, sich in der österreichischen Parteienlandschaft nicht etablieren konnte.

Bei irgendeiner Veranstaltung, etwa um 1989/1990, als Haiders Aufstieg begann, hatte Bronner auch mal das "Vergnügen" mit Jörg Haider persönlich Bekanntschaft zu machen. Haider und seine "Buberlpartie" seien plötzlich zielstrebig auf Bronner zugekommen, sodass er nicht mehr habe ausweichen können. Sie gratulierten ihm zu seiner Zeitung (Der Standard wurde ja kurz zuvor, 1988, gegründet) und, geschickt wie Haider im Vereinnahmen von Menschen gewesen ist, habe er sogleich gemeint, er und Bronner hätten sehr viel gemeinsam, denn er, Haider, sei ein liberaler Politiker und Der Standard eine liberale Zeitung. Bronner entgegnete ihm, dass er ihm das nicht glaube, da er ganz andere Dinge von sich gebe, als dass sie auf eine liberale Grundhaltung schließen lassen würden. Haider versicherte daraufhin sofort, das seien Ausrutscher gewesen, rechte Aussagen seien Vergangenheit (und das um 1989/1990!), er werde jetzt liberale Politik betreiben. Bronner meinte wiederum, dass er ihm das nicht glaube. Es kam zu einer Wette, dass Haider nie wieder "rechte Ausrutscher" haben werde – falls doch, schuldet Haider Bronner eine Flasche Champagner. Was nach 1989/1990 noch alles aus Haiders Mund tönte ist hinreichend bekannt. Den Wettgewinn forderte Bronner jedoch nicht mehr ein.

Dass Haider sich als liberaler Politiker vorstellte, kommentiert Bronner damit, dass Haider halt "ein Chamäleon" war. Er wollte immer bei allen beliebt sein, zumindest bei seinen Gesprächspartnern. Er passt sich immer seinem Publikum an, wobei das halt besser mit "rechts" gehe, da er das von zuhause kennt.

Zu Waldheim

Bronner, sinngemäß: Waldheim war ein Opportunist, er war "zum Teil eine tragische Figur". Er wurde vom JWC (Jewish World Congress) mit falschen Vorwürfen konfrontiert, auf die er dann jedoch falsch reagiert habe. Nämlich in einer Weise, die das Unrecht gegen ihn wiederum rechtfertigte. Er war ein "schlichter Denker" und "hat bis zum Ende seines Lebens nicht erkannt", wie er für das Unrecht gegen ihn mitverantwortlich ist.

Wohl als Folge seines "schlichten Denkens" ist zu sehen, dass Waldheim auch zu Bronner Kontakt suchte, da Bronner ja Jude ist und somit wohl irgendwas mit dem JWC zu tun haben müsse.



Kritik am Standard

Eine Frage aus der Zuhörerschaft bezog sich auf Gudrun Harrer, die Nahost-Expertin des Standards. Diese werde ja von jüdischer Seite manchmal als einseitig, eher pro-arabisch und zu israelkritisch oder gar -feindlich bezeichnet. Bronner kann dies nicht nachvollziehen, er sieht keine Einseitigkeit. Harrer ist ausgewiesene Nahost-Expertin, spricht Ivrit und Arabisch und benutzt Quellen von beiden Seiten. Sie unterliege höchstens vielleicht manchmal dem Mechanismus, dass Israel als Demokratie Kritik zulässt, jedoch in arabischen Ländern aber auch in den palästinensischen Autonomiegebieten kaum Kritik und Opposition vorhanden oder möglich ist.

Auch auf einen weiteren Einwand, dass es doch auch bekannte palästinensische Kritiker außerhalb Israels/Palästina gebe, die in anderen Medien zu Wort kommen würden, im Standard jedoch nicht, kann Bronner nicht nachvollziehen. Substantielleres wurde zu diesen Punkten nicht gesagt.

Zum Weiterlesen:
- Sehr empfehlen kann ich folgenden Text aus dem Datum 10/08:
Klaus Stimeder, Eva Weissenberger Der Junge aus Haifa (Auszug aus der Bronner-Biografie Trotzdem)

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