Dienstag, 16. Juni 2009

10. VO – 26. Mai 2009 – Doron Rabinovici



Doron Rabinovici war der zehnte Gesprächsgast Landesmanns.

Familiäre Herkunft

Rabinovicis Vater, der aus Rumänien stammte, aber in Wien lebte, floh während des Nationalsozialismus (mit einem Zertifikat, also legal) aus Österreich nach Palästina, die Mutter, die zwar in Paris geboren wurde, aber litauische Wurzeln hatte, kehrte nach Vilna zurück (die Beiden kannten sich damals noch nicht, Doron wurde ja erst 1961 geboren).

Litauen, und damit auch die Hauptstadt Vilna, die über einen großen jüdischen Bevölkerungsanteil verfügte und ein Zentrum jiddischer Kultur im Osten war, wurde jedoch während des Kriegs von den Nazis eingenommen, die jüdische Bevölkerung kam zu einem großen Teil ums Leben. Nicht so jedoch Rabinovicis Mutter. Sie entging ihrem Tod mehrmals durch unglaubliches Glück. Zuerst weigerte sie sich, an einem Marsch, der offensichtlich in den Tod führte, teilzunehmen. Sie blieb gemeinsam mit drei anderen Frauen zurück und hätte erschossen werden sollen. Doch der Soldat, der dies tun hätte sollen, war alleine und führte den Befehl nicht aus. Es geschah dies offenbar bereits in den letzten Momenten vor dem sowjetischen Einmarsch, da der Soldat und die drei Frauen bei der Befreiung noch immer zusammen waren. Als die Sowjets seine deutsche Uniform sahen, wurde er augenblicklich erschossen, die Frauen entkamen. Nun war ihr Leben abermals vom Tode bedroht – irgendwo in Polen gestrandet, drohte ihnen nun das verhungern, da ihnen die Dorfbevölkerungen ihre Hilfe verweigerten. Ausgerechnet sowjetische Soldaten bemerkten ihr Leid und zwangen die Dorfbevölkerung durch Bedrohung, sich um die Frauen zu kümmern – andernfalls würde etwas geschehen, wenn die Soldaten das nächste Mal das Dorf passieren, und die Frauen nicht mehr am Leben seien – so erzählte Doron Rabinovici.

Anfang der 50er-Jahre emigrierte Dorons Mutter schließlich nach Israel, wo sie dann ihren zukünftigen Mann und Vater Dorons kennen gelernt haben dürfte.

Einwanderung bzw. Rückkehr nach Österreich

1961 kam Doron Rabinovici in Tel Aviv zur Welt. Drei Jahre später entschloss sich die junge Familie, Israel zu verlassen – natürlich nur "vorübergehend". Offenbar kam für die (vorübergehende) Auswanderung nur ein deutschsprachiges Land infrage, denn da für die Mutter Deutschland als (ehemaliger) "Nazi-Staat" nicht infrage kam, fiel die zweite Wahl auf Österreich, das man, wie Österreich sich selbst auch, eher als Opfer des Nationalsozialismus denn als Mittäter betrachtete.

Die Übersiedelung nach Wien 1964 erfolgte nach dem Murer-Prozess, bei dem Rabinovicis Mutter als Zeugin vorgesehen war. Franz Murer war ein österreichischer Nationalsozialist und Kriegsverbrecher, der als "Schlächter von Vilna" bekannt wurde, da er für die Beseititung der jüdischen Bevölkerung Vilnas, der Heimatstadt Dorons Familie mütterlicherseits, zuständig war. Murer lebte, nachdem ihn die Sowjetunion, wo er zu Zwangsarbeit verurteilt wurde, an Österreich ausgeliefert hatte, in der Steiermark, wo er als ÖVP-Politiker auf Bezirksebene rasch eine neue Karriere machte. 1962 kam es auf Bemühen Simon Wiesenthals dann doch noch zu einem Prozess in Österreich gegen Murer, der das gesamte österreichische Justizsystem der Lächerlichkeit preisgab. Die gesamte Familie Murer verhöhnte vor Gericht die Opfer und Zeugen, geduldet und unterstützt vom Gericht, dass die Glaubwürdigkeit der Zeugen dadurch anzweifelte, dass im unmittelbaren Moment, in dem Murer jemanden aus nächster Nähe mit Kopfschuss getötet hat, die Zeugen die Augen kurz schlossen – es kam natürlich zu einem Freispruch, wie in fast allen Prozessen gegen Kriegsverbrecher in Österreich nach 1947. Der Murer-Prozess, so Rabinovici, hat ihn über Schilderungen seiner Mutter "durchaus geprägt".

Der eigentliche Grund für die "vorübergehende" Auswanderung nach Österreich war allerdings das Import-/Export-Geschäft des Vaters – Wien schien dafür bestens geeignet, und in unglobalisierten Zeiten ohne Internet, Handys und freien Handel, wie ihn die EU später ermöglichte, waren persönliche Kontakte für den Handel, der durch den eisernen Vorhang und die Ost-West-Grenzen zusätzlich erschwert wurde, unabdingbare Voraussetzungen für ein erfolgreiches Unternehmertum im Import- und Exportgeschäft. Diese Voraussetzungen brachte Vater Rabinocivi mit, und das Geschäft lief gut. So gut, dass man nach zwei Jahren meinte, man bleibe doch noch eine Weile, damit der Junge hier noch seine Matura abschließen kann. Eine Rückkehr war aber nach wie vor vorgesehen, denn die Ansicht, dass man als Jude nicht in Österreich leben könne, war auch bei den Rabinovicis vertreten. Die Zeit verging jedoch wie im Flug, und die Familie schlug allmählich Wurzeln in Österreich.

Jugend und Politisierung

Zuhause wurde viel über Politik und Israel gesprochen. So wurde Rabinovici früh politisiert. Er wurde Mitglied bei Hashomer Hatzair, der zionistisch-sozialistischen Jugendbewegung, die damals auch ein "unglaublich künstlerischer Ort" gewesen sei – man hat dort viel gezeichnet, viel geschrieben. Politisch sah der Shomer vor, dass der Klassenkampf für Juden nur in einem eigenen jüdischen Staat möglich und anstrebenswert sei, da in anderen, nicht-jüdischen Gesellschaften, die Arbeiterklasse antisemitisch eingestellt sei und eine Verbündung daher nicht möglich sei. Dies traf auf Österreich nach 1945 auch eindeutig zu. In den 70ern, Rabinovicis Jugend, war es für linke Juden nicht möglich, Teil der linken Szene Österreichs zu sein. Und in den 80ern, bei einer Demonstration gegen den Rechtsextremisten Norbert Burger, wurden die Shomerniks, die mit einer israelisch-zionistischen Fahne an der Demo teilnahmen, von Josef Cap persönlich (damals Vorsitzender der sozialistischen Jugend) gebeten, die Fahne wegzunehmen. Als einige der Mitglieder sich jedoch weigerten, und zumindest am hinteren Ende des Demozuges mit der Fahne gehen wollten, wurde dem Träger der Fahne am Weg dorthin, als er bei den Maoisten vorbeikam, die Fahne aus der Hand gerissen, ihm auf den Rücken geschlagen und dann zerrissen. Für viele Linke galt damals, wie zum Teil sicher auch noch heute, dass Zionismus Rassismus sei, wegen den Folgen, die Zionismus für die Palästinenser hat. So weit die Ausführungen Rabinovicis über diese Zeit, denen er noch hinzufügt, dass der Shomer schon damals für Rechte für die Palästinenser eingetreten sei und eine Zwei-Staaten-Lösung befürwortete.

Weiters wurde Rabinovici von Landesmann auf den Zionismus angesprochen, wie es denn mit dem Zionismus in Israel aussehe. Es folgte eine Ausführung darüber, wie die zionistische Rechte in Israel an Macht gewann, und was sie von anderen zionistischen Richtungen unterscheidet. Etwa, dass sich rechte Zionisten selbst als "Revisionisten" bezeichnen und dass sie vor allem nach 1967, nach dem 6-Tage-Krieg, stark an Popularität gewonnen hätten. Näher möchte ich darauf aber nicht eingehen, da dies weder mit Rabinovici noch mit Österreich zu tun hat; am ehesten dienen diese Informationen noch zur Abgrenzung des rechten Zionisus von jenem linken Zionismus der Shomer.

Auch die Wiener IKG war kurz Gesprächsthema – doch darüber hat uns Ariel Muzicant bereits ausführlich informiert, über die Abkehr von der Parteipolitik in den 80ern hin zu einer pragmatischen Politik. Rabinovivici meinte ebenfalls, dass das rechte zionistische Lager in Wien "verbürgerlicht" und weniger radikal als früher sei, sowie dass die IKG-Politik insgesamt weniger ideologisch, denn pragmatisch geworden sei.

Bedeutung Waldheims für die jüdische Identität in Österreich

Obwohl die Familie ja bereits um viele Jahre länger in Wien geblieben war, als ursprünglich geplant, übernahm auch Doron Rabinovici die Ansicht seiner Eltern, dass man früher oder später nach Israel zurückkehren werde. Die Atmosphäre in Österreich war ja nach wie vor jene, dass man sich der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit verweigerte und sich weiterhin als "erstes Opfer Hitlers" stilisierte. Antisemitismus war, wie ja auch Rabinovici zu berichten wusste, selbst bei den Linken salonfähig. Insgesamt jedenfalls keine einfachen Rahmenbedingungen, um sich als Jude mit Österreich zu identifizieren. Doch dann, so Rabinovici, "passierte etwas ganz merkwürdiges" : Die Waldheim-Affäre erfasste die gesamte österreichische Gesellschaft: plötzlich wurde diskutiert: War Österreich wirklich das erste Opfer? Waren 1938 wirklich alle für den "Anschluss"? Trägt Österreich Mitschuld am Nationalsozialismus bzw. am Holocaust? Wie sieht es heute mit dem Antisemitismus hierzulande aus?

Dem zuvor ging 1965 auf der Wiener Wirtschaftsuniversität die Auseinandersetzungen um Professor Taras Borodajkewycz, der durch offen antisemitischen Unterricht für Aufsehen sorgte. Das Unterrichtsministerium weigerte sich, diesen Vorwürfen nachzugehen oder Borodajkewycz gar zu entlassen, also kam es zu Demonstrationen, in dessen Verlauf der Antifaschist Ernst Kirchweger von einem Mitglied des Rings Freiheitlicher Studenten erschlagen wurde. Dieser gewaltsame Tod, der das erste politische Todesopfer der zweiten Republik darstellt, sorgte für Aufsehen in der österreichischen Gesellschaft und sorgte für Umdenken und Sensibilisierung bei Teilen der Bevölkerung.

Auch in anderen Ländern befasste man sich in dieser Ära vermehrt mit der kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit: Die Rolle der Résistance und des Vichy-Regimes in Frankreich, die Verantwortung der Schweiz mit ihrer restriktiven Visa-Politik und den fragwürdigen Geschäften der Banken – und in Österreich war eben die Rolle Waldheims als Mitglied einer SS-Reiterstaffel am Balkan der Anlass, die Öffentlichkeit zur Beschäftigung und Aufarbeitung mit der österreichischen NS-Vergangenheit zu zwingen. Jede/r musste Farbe bekennen: Ist man für oder gegen Waldheim? Warum? Warum nicht? – schließlich waren Wahlen, die Affäre und die politischen Kampagnen der zur Wahl stehenden drehten sich um dieses Thema. Die ÖVP entschied sich, nicht nachzugeben, und plakatierte mit "Jetzt erst recht!". Die Kronen Zeitung, nie verlegen um politische Einflussnahme, lancierte ebenfalls eine Kampagne zur Unterstützung Waldheims und argumentierte wie Waldheim, dass das ganze eine Art Verschwörung des World Jewish Congress sei (WJC) (auf die Rolle der Krone bei der Wahl Waldheims wies nicht nur Rabinovici hin, auch aktuell, da Dichand die beiden Prölls als Bundeskanzler und Bundespräsident wünscht, weist etwa Standard-Chefredakteurin Föderl-Schmid auf frühere Einflussnahmen der Krone hin: "Ohne Dichands Unterstützung wäre Kurt Waldheimt ('jetzt erst recht') nicht Bundespräsident geworden und hätte Jörg Haider nicht diese Wirkung in Österreich entfalten können" Kommentar v. A. Föderl-Schmid, Der Standard, SA/SO, 20./21. Juni 2009, S. 36)

Es formierten sich Protestgruppen, und bisher getrennt voneinander agierende linke Gruppierungen, die schon gegen Murer protestiert hatten, fanden durch den gemeinsamen "Gegner" näher zueinander. Waldheims Aussage, "Ich habe nur meine Pflicht getan" – eine Aussage, die, so Rabinovici, "noch vor kurzem unbemerkt stattgefunden hätte" – sorgte plötzlich für Aufsehen.

Und im Zuge all dieser Veränderungen, des Aufbrechens von Krusten, fand auch Rabinovici seinen Platz in der österreichischen Gesellschaft: "Kurt Waldheim machte mich zum Österreicher!"

Nachwirkung der Waldheim-Affäre

Die Folgen der Waldheim-Affäre waren nicht nur positiv, wie man aufgrund der Bewusstseinsbildung und ernsthafteren Bemühungen um die Vergangenheitsbewältigung und Aufklärung annehmen könnte. Diese Zwiespältigkeit wurde auch schon von einzelnen anderen Teilnehmern an dieser Gesprächsreihe dargestellt. So fand auch Rabinovici, dass dieser große Konflikt zwischen links und rechts rund um Waldheim letztlich den Aufstieg eines Jörg Haider gefördert habe, dass die FPÖ dadurch radikaler wurde.

Über Kreisky

An den Wahlkampf zwischen Bruno Kreisky und Josef Klaus denkend, fällt Rabinovici ein, dass Klaus mit "ein echter Österreicher" plakatierte, insinuierend, Kreisky sei kein "echter Österreicher". Das Judentum, bzw. das Ansprechen antisemitischer Gedanken in den Köpfen der Österreicher, spielte bei dieser Wahl also eine sehr bewusste Rolle. Dass Kreisky dennoch gewann, obwohl die ÖVP ihn indirekt ja als "unechten Österreicher" diffamierte und Antisemitismus in Österreich, wie vielfach belegt ist, damals (und vermutlich, vielleicht in etwas geringerem Ausmaß auch noch heute) salonfähig und gesellschaftlich "anerkannt" war, brachte Landesmann zu der Frage an Rabinovici, wieso Kreisky dann seiner Meinung nach "als Jude" dennoch gewählt werden konnte. Rabinovici: "Er war ein überragender, wunderbarer Außenminister", ein "sehr guter sozialdemokratischer Politiker". Auch Antisemiten konnten Kreisky wählen, da er antisemitisch agierte. Er transportierte offenbar, so Rabinovici, ebenfalls die Vorstellung, dass Österreich dass erste Opfer Nazi-Deutschlands gewesen sei, womit er, in Verknüpfung mit dem Bewusstsein in der Bevölkerung, dass er Jude ist, folgenden Gedankensprung bei den (antisemitischen) Rezipienten erzeugte: "Er muss es ja wissen" (als Österreicher und Jude Österreich als erstes Opfer NS-Deutschlands zu betrachten).

Folgende weitere Beispiele über Kreiskys Umgang mit seiner jüdischen Identität brachte Rabinovici:
- Bei einem Treffen mit Israelis (ich weiß nicht mehr genau, was für ein Treffen das war, vermutlich mit Regierungsvertretern, Botschafter usw.) soll Kreisky gleich zu Beginn "klar gestellt" haben: "1., dass das klar ist, ich bin kein Jude, völkisch gesehen. Juden sind kein Volk" (vermutlich nicht wortwörtlich, aber sinngemäß). Ein deutscher sozialdemokratischer Politiker soll darauf geantwortet haben (wieder sinngemäß, so wie es Rabinovici wiedergegeben hat): "Ok, ich nehme zur Kenntnis, dass Juden kein Volk sind – aber wenn ich gefragt werde, wer der größte jüdische Politiker ist, sage ich Kreisky" Dem wollte Kreisky natürlich nicht widersprechen, und so reagierte, wie es offenbar in vielen Situationen, bei vielen Gelegenheiten Kreiskys Art war, mit einem Witz (vgl. Erich Lessing, der Kreisky persönlich kannte und ihn als "sehr guten Witzeerzähler" bezeichnete). Diesen Witz konnte ich natürlich nicht Wort für Wort mitschreiben, und er wird hier schriftlich sicher nicht dieselbe Wirkung entfalten, als wenn ihn Kreisky erzählt hätte oder Rabinovici, der diesen Witz ja wiedergegeben hat, erzählt, aber sinngemäß soll er hier natürlich trotzdem erwähnt werden:
- Ein orthodoxer Jude aus der Leopoldstadt, mit Kaftan und vollem Bart, wird 1938 beim Überqueren der Urania-Brücke von einem Polizisten angehalten: "Gehn's da besser ned rüber, da werden g'rad Juden gepiesackt". Darauf der orthodoxe Jude: "Danke Herr Inspektor, aber ich werd mich ned zum derkennen geben"
(Wer den Witz kennt und ihn korrekt wiedergeben kann, ist herzlich eingeladen, ein Kommentar zu hinterlassen; Ich will mich schließlich nicht in Salcia Landmanns Fußstapfen begeben, die sich als Bewahrerin des jüdischen Humors und Witzes verstand, aber in ihren Büchern, so Torberg, der sich heftig darüber empörte und ihre Bücher komplett verriß, die Witze derart entstellte, dass sie weder als "typisch jüdisch" noch als lustig empfunden werden konnten.)

Aber wieder zurück zu Kreiskys Innenpolitik. Warum koalierte Kreisky überhaupt mit der FPÖ? Naheliegend und richtig ist natürlich, um den ewigen Proporz-Eiertanz mit der ÖVP zu umgehen, und den ständigen Machtkampf der beiden Großparteien mit einem Tabubruch umging, nämlich einer Koalition mit der FPÖ, die bis dahin als Regierungspartner von beiden Parteien offenbar kategorisch ausgeschlossen war. Die FPÖ gab sich Kreisky aber nur unter der Bedingung her, dass eine Wahlreform statt findet, was Kreisky auch realisierte. SPÖ und FPÖ arbeiteten nun gegen ÖVP-"Erbfolgen" im Land.

Danach folgte wieder eine große Koaltion, Vranitzky beendete die Koaltion mit der FPÖ. Mit der Übernahme der ÖVP durch Wolfgang Schüssel war, so Rabinovici, erkennbar, dass sich die ÖVP an dem damaligen Tabubruch der SPÖ rächen will, sprich, dass sich die ÖVP eine Zusammenarbeit mit der FPÖ offen hält. Es kam also 1999/2000 wie es kommen musste: die ÖVP koaliert mit der FPÖ.

Warum dann 2000 so eine Empörung über die ÖVP-Koalition mit der FPÖ? "2000 wars anders", so Rabinovici. Die FPÖ unter Jörg Haider war viel rechter als damals unter Peter. Haider, so Rabinovici, war eine Personalunion aus der Personen:
1) "Aggression gegen parlamentarische Werte", gegen Verfassungsgerichtshof, gegen IKG usw.
2) Relativierung der Vergangenheit, "Aggression der Erinnerung"
3) Rassismus

Schüssel dachte, durch Einbindung der FPÖ in die Regierung diese entschärfen zu können. Das funktionierte aber nur kurzfristig, hinterließ aber langfristige Schäden und bei der übernächsten Wahl erreichte die FPÖ wieder annähernd die selben Ergebnisse wie bei der Wahl 1999 - mittlerweile, zusammen mit dem BZÖ, sogar noch mehr.

Tücken des Verbotsgesetzes

Nochmals die Kronen Zeitung. Als Rabinovici einmal ein Gespräch (Interview?) mit Helmut Zilk führte, der den JWC als "Geiselnehmer Österreichs" bezeichnet haben soll, dachte Rabinovici zuerst daran, Zilk habe unüberlegt die Argumentation der Kronen Zeitung übernommen. Als er dies Zilk vorwarf, stand Zilk jedoch zu dieser Aussage, die seine eigene Meinung wiedergebe. Im Verlauf dieses Gesprächs (ich weiß nicht, ob es schriftlich oder mündlich, zu welchem Anlass und in welchem Medium das gewesen sein soll), soll Rabinovici jedenfalls beiläufig gesagt haben, dass die Kronen Zeitung antisemitisch sei.

Daraufhin klagte ihn die Krone (wohl wegen übler Nachrede oder Unterstellung einer Straftat oder so... wegen des Verbotsgesetzes ist der Vorwurf an jemanden, dass er antisemitisch sei, bereits der Vorwurf einer Straftat ... oder so ähnlich), zumindest wollte sie das. Der erste Anwaltsbrief ging an irgendeinen Studenten, der offenbar einen ähnlichen Namen hatte. Es kam tatsächlich zur Gerichtsverhandlung, die aber verständlicherweise gleich nach dem ersten Zusammentreffen abgebrochen wurde, da die Vorwürfe gegen den Studenten sich rasch als haltlos erwiesen. Die Krone ließ sich dadurch nicht unterkriegen und klagte erneut. Beklagter diesmal: Rabinovicis Vater. Dieser konnte aber gar nicht erst vor Gericht erscheinen, da er längst verstorben ist.

Dritter Versuch, und siehe da, sie haben es doch noch geschafft, Doron Rabinovicis Namen richtig zu schreiben und zu erreichen. Da im Falle einer Verurteilung Rabinovici natürlich mit allen schriftstellerischen Mitteln darauf aufmerskam gemacht hätte, insbesondere auf die Pannen bei der Anklage, dürfte die Krone zu einem außergerichtlichen Vergleich bereit gewesen sein, so habe ich es zumindest verstanden. Man einigte sich darauf, dass Rabinovici der Krone nicht mehr unterstellt, dass sie antisemitisch sei. Was er jedoch darf, sei zu sagen und zu schreiben, dass die Kronen Zeitung "latent vorhandenen Antisemitismus akut macht".

Wie man an diesem Beispiel sieht, schränkt das Verbotsgesetz nicht nur jene ein, die (öffentlich) antisemitisch oder hetzerisch auftreten (wollen), sondern auch jene, die solchen Personen Antisemitismus und Rassismus vorwerfen. Wenn dies nämlich nicht bewiesen werden kann, ist das der strafbare Tatbestand, jemandem eine strafbare Handlung zu unterstellen (juristisch korrekter kann ich das leider nicht definieren, da müsst ihr woanders nachschauen).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen